H&M – Ohne Sinn und Relevanz

H&M geht es schlecht. Sehr sogar.

von Mirco Larsen

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Und schuld ist mal wieder das Wetter. Der böse Frühling war einfach nicht da. Nun steht man im Regen. Und die Aktie ist seit 2017 um ein Drittel eingebrochen. So langsam ahnt auch der Letzte, dass etwas Größeres als das Wetter schuld sein muss, dass es einfach nicht klappt, mit den alten Geschäftsmodellen in einer sich transformierenden Gesellschaft erfolgreich zu sein. Dabei hatte diese Ausrede für nahezu die gesamte Modebranche über viele Jahre so gut funktioniert.

Ein Zeichen unserer Zeit und vor allem ein Bedürfnis der kommenden Generation ist die Suche nach dem Sinn. Nachdem wir uns gerade im Wirtschaftswunderland diverse Dekaden lang sinnlos fett machen konnten, taucht die Frage nun berechtigter- und glücklicherweise wieder auf. In einer Zeit, in der man selbst im Marianengraben Plastiktüten findet, wird es aber auch wirklich Zeit.

Die Werbebranche hat eine Lösung. Mit „Purpose“ wurde ein neues Buzzword geschaffen, unter dem nun kräftig Strategien gepuzzelt werden, die sich später als Nullnummern erweisen werden. Purpose. Purpose-driven Marketing. Purpose-driven Economy. Im Grunde gut – nur verstanden, was das heißt, haben offenbar nur die Wenigsten.

Und die alte Werbewelt macht das, was sie am besten kann: Gott spielen.

In einem SZ-Artikel über den Untergang von H&M äußert sich der Kulturwissenschaftler Philip Warkander und sagt: „Sie müssen sich selber fragen, was sie sein wollen. Im Moment scheint das niemand zu wissen.“ H&M müsse sich komplett neu erfinden, wenn es langfristig überleben „und nicht wieder nur ein Eckladen in Västerås“ sein möchte. Auch die Kollegen aus einer großen Hamburger Agentur sind über diese Erkenntnis ganz begeistert. Purpose ist DER neue Shit. Zumindest haben sie das auf der OMR19 gelernt und posten diese Woche in ihrem Blog:

Purpose, purpose und nochmal purpose – Um in der Masse der Marken hervorzustechen, ist es wichtig für Unternehmen, einen Purpose, also einen Sinn, für Konsumenten zu finden.“

An den Aussagen kann man wundervoll sehen, wie aus einem Bedürfnis ein belangloses Produkt wird. Einen Sinn „geben“, einen Sinn „finden“. Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Hätten Unternehmen keinen Sinn in ihrer DNA, würde es sie nämlich gar nicht geben. Dieser Sinn ging nur irgendwo zwischen zwei Wirtschaftskrisen und der beginnenden Transformation in den Excel-Sheets der Unternehmensberatungen verloren. Worum es gehen muss, ist nicht, einen Sinn zu finden, sondern die Unternehmen wieder an ihren Sinn zu erinnern.

Werte und Kultur kann man sich nicht aussuchen wie eine Klamotte bei Zalando

Man sieht sie schon vor sich. Die gockelnden Junioren in ihren Coachella-Outfits, die im Communityspace sitzen und darüber sinnieren, welchen Sinn – sorry, Purpose – man nun diesem oder jenem Unternehmen überstülpen kann. Und die alte Werbewelt macht das, was sie am besten kann: Gott spielen.

Ein Unternehmen wie H&M hat eine gewachsene Kultur und es geht darum, diese ins Heute zu transformieren. Der gesellschaftliche Wandel ist auch ein Kulturwandel und unsere Aufgabe ist es herauszufinden, welche Teile der Kultur wir jetzt zurücklassen und welche wir mit in die neue Zeit nehmen. In diesem Prozess findet ein Unternehmen idealerweise aus sich selbst heraus zurück zu den Werten, auf denen es aufgebaut wurde. Aus diesen kann man dann auch ganz berechtigt Purpose, purpose und noch mal purpose ableiten.

H&M und viele andere Unternehmen brauchen eine ganzheitliche Begleitung in ihrem Transformationsprozess, der idealerweise in diesen beiden Bereichen startet:

Sinn & Vision

Wie in vielen anderen Familienunternehmen steht auch bei H&M jetzt die Generation in den Startlöchern, der eine demokratisierte Informationskultur zur Verfügung stand. Vor dem Internet war es einfach, Werte und Visionen des Familienpatriarchen von einer in die nächste Generation zu übertragen und sicherzustellen, dass diese im Sinne des Ur-Gründers fortgeführt werden.

Mit dem Internet begannen die Folgegenerationen damit, sich dank Google früh ein eigenes Bild der Welt zu schaffen und die anerzogenen Werte zu hinterfragen. Parallel dazu macht genau das aber die ganze Welt und es entstehen Arbeitnehmer, Kunden und Unternehmer mit völlig veränderten Werten. Welcome, Generation Y & Z.

Werte und Kultur kann man sich nicht aussuchen wie eine Klamotte bei Zalando. Man kann sich nicht einfach hinsetzen und überlegen, welchen Sinn ein Unternehmen zukünftig haben soll. Die Unternehmen müssen von innen heraus zurück zu ihrem Gründungsmoment geführt werden und wieder einen klaren Blick auf die Intension und Vision des Gründers erlangen. Denn diese wird es bis heute in dem Unternehmen geben. Aus den Werten des Gründers ist die Kultur des Unternehmens gewachsen. Ersetzt man sie durch neue, ausgedachte Werte, wird die Organisation zusammenbrechen. „Culture eats strategy for breakfast.“

Die Frage nach dem Sinn steckt bereits tief verankert im Unternehmen. Es gilt nun in unterschiedlichen Workshop-Formaten zurück an diese Wurzeln zu kehren und sich dann zu überlegen, wie diese Werte ins Heute transformiert werden können.

Leadership

An die Spitze eines Unternehmens wie H&M gehört kein kühler Rechner, der den Aufsichtsrat beruhigt und sich vor den Aktionären mit dem Wetter herausredet. An die Spitze eines Unternehmens gehört ein Visionär und Leader. Jemand, der sich mit den Werten und der Vision des Unternehmens identifiziert und diese ins Heute zu transformieren weiß. Dafür muss er in erster Linie den Mitarbeitern und Kunden entgegentreten und dann erst den Aktionären.

Bei familiengeführten Unternehmen gilt es auch zu hinterfragen, ob in den Kindern auch wirklich Unternehmer stecken. Man erbt das Unternehmen, aber nicht das Talent zum Unternehmer. Die Debatte um die Verantwortung von Unternehmenserben kocht gerade um Verena Bahlsen richtig hoch. Sie muss sich mit der Frage beschäftigen, wie man nun knapp 80 Jahre nach der NS-Zeit mit einer Zwangsarbeiter-Vergangenheit umgeht. Es geht um den Kulturwandel, um die Frage, was wir aus der alten Zeit mit ins Neue nehmen. Bahlsen hat die großartige Chance, ein richtungsweisendes Statement darüber abzugeben, wie die Generationen Y & Z mit der Verantwortung aus unserer Geschichte umgehen. Man sollte sich mehr mit ihr auseinandersetzen, anstatt ihre Aussagen auf einige Fetzen zu reduzieren und darauf einzuschlagen. Danke, BILD – ihr macht mit Verena Bahlsen genau das, was ihr bei der AfD entlarvt: Dinge aus dem Kontext reißen und drauflosschlagen. Igitt.

Verantwortung für ein Unternehmen zu tragen heißt auch, sich selber reflektieren zu können. Und für manchen Erben könnte die Entscheidung im Sinne des Unternehmens lauten, sich daraus besser zurückzuziehen.

Oliver Beuthien & Mirco Larsen - Blog - NOW Brand Mentoring
Oliver Beuthien (rechts) und Mirco Larsen (Geschäftsführer MAMA Werbeagentur) denken, arbeiten und diskutieren leidenschaftlich gern über nachhaltige Marken – und Unternehmensführung, Changemanagment und Leadership.  Oliver Beuthien arbeitet erfolgreich als CEO und Managing Director für Unternehmen wie P&C West, Theo Wormland und Engelhorn in Mannheim.

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